Rechts: Meine Freunde Walter und Kirsi in Quito
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So, und jetzt zu den Ereignissen der letzten Wochen hier in Ecuador: Ca. vor
einem Monat kam es hier zu einer dramatischen Benzin-Knappheit, da die
staatliche Öl-Gesellschaft eine Chemikalie, die zur Herstellung des Benzins
notwendig ist, zu spät bestellt hat. So waren wir ca. eine Woche ohne
normales Benzin und über drei Wochen ohne bleifreies Benzin. Hinzu kam, daß
die Situation vieler lokaler Banken immer prekärer wurde, da aufgrund der
unsicheren politischen Situation (der Kongreß, in dem die Regierung nur 32%
der Stimmen besitzt, hat die Reformvorschläge der Regierung immer blockiert,
wodurch keine neuen Gesetze verabschiedet und keine Reforme durchgeführt
werden konnten und alle Probleme des Landes ungelöst blieben) die lokalen
Banken immer weniger Kredite der internationalen Großbanken erhielten. So,
eines schönen Sonntagabends hat der Präsident beschlossen, einen
"Bankfeiertag" zu erklären, was bedeutete, daß alle Banken am nächsten Tag
geschlossen blieben.
Nach hitzigen Beratungen wurden diese Ferien nochmals
um zwei Tage verlängert und blieben schließlich eine ganze Woche zu, da Ende
der Woche ein zweitägiger Generalstreik angesagt wurde und die Regierung
diese Tage zu allgemeinen Feiertagen erklärte um einerseits zu verhindern,
daß die Leute von der Arbeit schwänzen um zu demonstrieren (die Leute hier
sind meistens so faul, daß die an freien Tagen nicht streiken) und
andererseits, daß Unbeteiligte durch Tränengas, Demonstranten etc. gefährdet
werden. Der Hintergrund dieser "Ferien" war, daß mal wieder zwei Banken in
Schwierigkeiten geraten waren, darunter auch die zweitgrößte Bank des
Landes. Ende der Woche hat der Präsident denn einen Ausnahmezustand erklärt
und entsprechende wirtschaftliche Maßnahmen per Dekret erlassen. Um der in
Schwierigkeiten geratenen Banken zu helfen, hat er angeordnet, daß die
Einlagen auf Kontokorrent- und Sparkonten zu Hälfte für sechs Monate bzw.
ein Jahr "eingefroren" werden, d.h. nicht abgezogen werden können. Hiervon
blieben unberührt nur diejenigen Personen, deren Guthaben nicht über 2 Mio.
sucres auf dem laufenden Konto und fünf Mio. auf den Sparkonten überstiegen
(also wirklich nur die ganz kleinen Leute). Festgelder und Dollar-Einlagen
über US$ 500 wurden ebenfalls fúr ein Jahr eingefroren. Außerdem, um dem
Staat mehr Einnahmen zu sichern, hat er ein neues Steuerpaket zum Kongreß
geschickt, das die Erhöhung der MwST, eine Steuer für Luxusautos sowie auch
andere unbeliebte Maßnahmen vorsah. Um dieses Mal sicherzustellen, daß das
Paket nicht einfach abgeleht wurde, wie die vorherigen Male, hat der
Präsident die Benzinpreise um ca. 165% erhöht, bis der Kongreß das neue
Steuerpaket verabschiedet wird. Da kannst Du Dir vorstellen, was los war!!!
Am nächsten Montag, wo die Streiks eigentlich vorbei sein sollten, haben die
Taxifahrer die Straßen blockiert, um gegen die Benzinpreiserhöhung zu
protestieren. In den nächsten zwei Tagen haben sich die Busfahrer der Aktion
angeschlossen, und zumindest Quito und die Interprovinziellen Straßen
blieben vollkommen blockiert. Für uns war das nicht so schlimm, da wir ja
einen Arbeitsweg von nur ca. 2 km haben, aber z.B. mein Chef, der im Tal
wohnt, mußte an einem Tag von zuhause aus arbeiten und am nächsten Tag ist
er die läppischen 12 km zu Fuß marschiert... Tja, und die
Einlageneinfrierung hat zumindestens der zweitgrößten Bank des Landes nicht
lange geholfen, die haben nämlich vor einer Woche die Türen geschlossen, und
jetzt wird analysiert, was gemacht werden kann. Es kommen immer wieder neue
Skandale ans Tageslicht.
Der Präsident läßt sich überhaupt nicht mehr blicken (es wird getratscht,
daß er krank ist) und verschiedene Interessengruppen an der Küste fordern
ein unabhängiges Guayaquil. Zumindest wird der Kongreß das Steuerpaket
höchstwahrscheinlich verabschieden, aber das glaube ich erst, wenn ich es
sehe. Jedenfalls steht schon fest, daß die Einkommenssteuer wieder
eingeführt wird, die Steuer auf Kapitalverkehr, die Ende letzten Jahres
eingeführt wurde, wird jedoch nicht aufgehoben, sondern bleibt ebenfalls
weiterbestehen. Der Sucre hat dem Dollar gegenüber kräftig an Wert verloren
(1 Dollar = ca. 11.000 Sucres) und die Inflation ist horrend.
Ja, so sieht es hier aus. Zur Zeit kann man wenig machen, nur abwarten
eigentlich. Ich habe leider nicht mehr viel Zeit, da ich ja auch noch
arbeiten muß. So als Anekdote beiseite, wir haben heute unsere Gehälter
bekommen, in BAR, damit wir nicht alles in die Bank einzahlen müssen, für
den Fall, daß weitere Banken "fallen". Da alle Leute jetzt so viel Geld wie
möglich zuhause haben und nicht in der Bank, gibt es einen akuten
Bargeldmangel auf dem Markt und so wurden wir in 10.0000Sucres-Scheinen
bezahlt. Stell' Dir mal den Geldstapel vor...